Fertilitätserhalt und Social Freezing

Die moderne Medizin bietet heutzutage in vielen Fällen die Möglichkeit, den Zeitpunkt für eine Schwangerschaft im Voraus für eine bestimmte Lebensphase zu bestimmen. Zu den Gründen für eine aufgeschobene Familienplanung gehören berufliche, aber auch gesundheitliche Umstände.

Ein besonderes Augenmerk gilt dabei (Krebs-)Erkrankungen und deren Therapien, die der späteren Fruchtbarkeit schaden können. Aber auch soziale Faktoren bewegen viele Frauen und Paare heutzutage dazu, sich den Wunsch nach einem Baby erst später zu erfüllen.

Als Expertin im Bereich der Reproduktionsmedizin sehe ich die Beratung zum Thema Fruchtbarkeit als wichtigen Bestandteil einer umfassenden Betreuung meiner Patientinnen – bereits vom Kindes- und Jugendalter an.

Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen

In den meisten Fällen erfordern Krebserkrankungen eine sofortige Behandlung. Gängige Therapien wie die Chemotherapie oder die Bestrahlung des kleinen Beckens können jedoch nicht nur die Krebszellen, sondern auch die Eizellen schädigen, was eine Schwangerschaft deutlich erschwert oder unmöglich macht. Die Medizin bietet derzeit vier Ansatzpunkte zum Erhalt der Fruchtbarkeit.

Fertilitätserhalt bei onkologischen Erkrankungen

Eizellkonservierung

Wenn vor der Krebstherapie noch ein Zeitfenster von mindestens 14 Tagen bleibt, ist es möglich, die Eierstöcke zu stimulieren, um reife Eizellen zur Konservierung zu gewinnen. Zur Befruchtung nach dem Auftauen der Zellen ist bei dieser Methode die In-Vitro-Fertilisation (IVF)/Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) nötig.

Konservierung von Eierstockgewebe

Ist eine sofortige Therapie nötig, kommt es auch infrage, Eierstockgewebe zu entnehmen und einzufrieren. Dies ist innerhalb von etwa zwei Tagen möglich. Vor allem bei an Krebs erkrankten Kindern und Jugendlichen ist dies häufig die einzige Möglichkeit zum Erhalt der Fruchtbarkeit.

Transposition der Eierstöcke

Vor einer geplanten Radiotherapie des kleinen Beckens ist es möglich, die Eierstöcke operativ aus dem Strahlengebiet zu verlagern (Ovariopexie). Trotz moderner Methoden entsteht jedoch immer eine gewisse Menge an Streustrahlung, die auch entferntere Bereiche betrifft. Aus diesem Grund wird diese Maßnahme idealerweise mit weiteren kombiniert.

Medikamentöse Protektion

Ziel dieser Maßnahme ist es, die Eierstöcke durch eine „Ruhigstellung“ vor der Chemotherapie zu schützen. Mindestens eine Woche vor dem ersten und bis zwei Wochen nach dem letzten Chemotherapiezyklus werden dafür so genannte GnRH-Antagonisten per Injektion verabreicht.

Social Freezing
Social Freezing

Auch aus nicht-medizinischen Gründen entscheiden sich immer mehr Frauen dafür, die Erfüllung ihres Kinderwunsches zu verschieben. Faktoren dafür können beruflicher Natur aber auch private Ursachen wie das Fehlen des passenden Partners sein.

Fällt die Entscheidung für das Social Freezing bereits in einem Alter zwischen 20 und 25 Jahren, hat das entscheidende Vorteile. Ab etwa 35 Jahren sinkt der AMH-Spiegel (Anti-Müller-Hormon) und damit der Vorrat an Eizellen.

Parallel steigt der Anteil an Eizellen, die Chromosomenanomalien aufweisen. Derzeit gibt es zwei Methoden des Social Freezings, die sich hinsichtlich ihrer Durchführung, Erfolgsaussichten und Kosten unterscheiden.

Konservierung reifer Eizellen

Ein Standardverfahren in der Reproduktionsmedizin ist die Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen. Dafür werden zunächst die Eierstöcke stimuliert und im Anschluss per Punktion die reifen Follikel entnommen. Das so genannte ultraschnelle Einfrierverfahren (Vitrifikation) sorgt für einen vollständigen Erhalt aller sensiblen Komponenten der Eizelle und eine Überlebensrate von über 90 Prozent. Nach dem Auftauen werden die Eizellen per In-vitro-Fertilisation (IVF)/intrazytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) befruchtet.

Konservierung von Eierstockgewebe

Mittlerweile kommt die Kryokonservierung von Eierstockgewebe nicht nur zum Fruchtbarkeitserhalt bei Krebspatientinnen, sondern auch im Bereich des Social Freezing zum Einsatz. Gegenüber der reinen Eizellkonservierung hat sie entscheidende Vorteile: Während nach der Stimulation nur etwa zehn einzelne reife Eizellen gewonnen werden können, enthält das entnommene Ovarialgewebe bis zu mehrere tausend Eizellen. Nach seiner Rückübertragung ist eine Schwangerschaft auf natürlichem Wege möglich.

FertiPROTEKT
FertiPROTEKT

Seit seiner Gründung im Jahr 2006 widmet sich das FertiPROTEKT Netzwerk e.V. dem Schutz der Fertilität vor geplanten Behandlungen, die gonadotoxisch wirken, d.h. zu Unfruchtbarkeit führen können. Im Mittelpunkt der Arbeit des Netzwerks und seiner über 150 angeschlossenen Zentren steht die Beratung und Versorgung der Patientinnen und Patienten. Darüber hinaus hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Forschung auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin voranzutreiben. Dazu gehört es, neue fertilitätsprotektive Behandlungsformen im Rahmen wissenschaftlicher und klinischer Studien zu untersuchen.

Auch das Klinikum Erlangen ist eines der ausgewiesenen Partnerzentren von FertiPROTEKT e.V. Im Rahmen meiner Tätigkeit berate ich dort unter anderem zum Fertilitätserhalt bei Mädchen vor und während der Pubertät. Das Klinikum ist bereits seit vielen Jahren im Bereich der Reproduktionsmedizin tätig. So wurde dort im Jahr 2007 erstmals in Deutschland Eierstockgewebe retransplantiert, 2011 folgte die erste Geburt.

Website des Universitätsklinikums Erlangen